WHO KILLED BAMBI? - Eine Ode für den Tierschutz oder einfach nur Punk?

WHO KILLED BAMBI? - Eine Ode für den Tierschutz oder einfach nur Punk?

Im Sommer 1978 hatte die englische Punkband The Sex Pistols den Zenit ihres kurzen Erfolges bereits überschritten. Frontman und Vorbild-Anarcho Johnny Rotton (bürgerlich: John Joseph Lydon) hatte die Band verlassen, Bassist Sid Vicious war dem Heroin verfallen. Manager Malcolm McLaren, wollte trotzdem irgendwie weitermachen… mit einer Mockumentary über die wilden Jahre der Band: The „Great Rock’N’Roll Swindle“ sollte der Soundtrack des gleichnamigen Films heißen. Die Rahmenhandlung ist eine Detektivgeschichte: Sex Pistols-Gitarrist Steve Jones spielt einen halbseidenen Privatdetektiv, der die Wahrheit über die Band aufdeckt… 

Auf dem 1979 erschienenen Album findet sich der Song „Who killed Bambi?“. Für alle, die den Titel nicht kennen… Trigger-Warnung! Es ist kein klassischer Punksong, denn „Who killed Bambi?“ wurde mit großem Orchester in den Londoner Wessex Studios eingespielt.

Das Intro erinnert an Eröffnungsmelodien alter Spielfilme, bevor Rhythmus und Melodie einsetzen und im fröhlichen Zweivierteltakt zum Schunkeln oder Marschieren einladen.

-  Ist das überhaupt Punk?

Die britische Modedesignerin Vivienne Westwood hat den Text des Liedes geschrieben; der Musiker und Schauspieler Edward Tudor-Pole die Musik. Er ist auch der Sänger des Songs und spielt im Film einen Pornodarsteller.

Westwood war in den 1970er Jahren eng mit den Mitgliedern der Sex Pistols bekannt und (Ex-)Frau von Manager McLaren, der wie sie Mode entwarf und mit dem sie den legendären Klamottenladen in der Londoner Kings Road 430 führte.

Das Bild, das sie von Bambi zeichnet, ist das allgemein gängige: „gentle pretty thing, who only had one spring, you bravely faced the world, ready for anything“. Das zarte und unschuldige Bambi. 

Ganze neunmal je Refrain wird dann die offenbar drängende Frage gestellt: Who killed Bambi? - Dabei ist allgemein bekannt, dass Bambi tatsächlich niemand getötet hat. Westwood verdreht hier schlicht die Tatsachen, beziehungsweise entfernt sich vom Original und sieht Bambi als Stellvertreter seiner Artgenossenschaft.

Es zupft das Banjo, es fiedeln die Streicher, es trällert die Piccoloflöte und dazu grölt Edward Tudor-Pole (bzw. Tenpole) fast ein wenig verzweifelt mit breitem britischen Akzent: „Murder, murder, murder! Someone should be angry, the crime of the century, who shot little Bambi? “

Diese Ironie, die durch den Kontrast zwischen Musik und Text unweigerlich entsteht, war typisch für Westwoods Arbeiten. Die unbändige ‚Godmother of Punk‘ wurde häufig als „Skandalnudel“ verlacht, doch sie blieb sich immer treu und machte die Rebellion salonfähig.

Später war die exzentrische Modeschöpferin als engagierte Friedens- und Menschenrechtsaktivistin bekannt und engagierte sich auch für den Tier- und Umweltschutz. Sind die Liedzeilen aus dem Jahr 1978 tatsächlich schon früher Ausdruck ihrer Überzeugungen?   

In einem früheren Song der Sex Pistols („Seventeen“ vom Album „Never Mind The Bollocks“ von 1977) scheint sich die Band bereits mit Bambis eigentlichem Lebenstrauma auseinanderzusetzen: „But when your mummy dies, she will not return“ - aber das ist natürlich reine Spekulation.

Ironischerweise hat Westwood 1996 den deutschen Medienpreis Bambi in der Kategorie „Mode“ verliehen bekommen. Ob die Veranstalter des Burda-Verlags von ihrer Urheberschaft des Liedtexts wussten, bleibt nur zu vermuten. 

Sie verstarb am 29. Dezember 2022 in London. - Rest in Punk, Bambi!

[Song und Text sind im Internet zu finden…]